Ausschnitt aus der Predigt von Julia Rittner-Kopp zum Reformationstag in Erlangen 2024
So, liebe Leserinnen und Leser, habe ich es vor sehr vielen Jahren – noch in der handylosen Zeit – erlebt: Auf einer sehr langen Autofahrt mit der ganzen Familie sind wir liegengeblieben. Irgendwo im Nirgendwo. Ich weiß nicht mehr wo, ich weiß nicht mehr wann. Ich weiß nur, es wurde dunkel. Und wir konnten nichts tun. Nur: warten auf die Pannenhilfe. Tochter und Sohn, noch ganz klein, bekamen Angst. Und Hunger. Und schlechte Laune. Und dann fing ich an ein Lied zu singen: „Der Kuckuck und der Esel, die hatten einen Streit, wer wohl am besten sänge …“. Inhaltlich hatte das wirklich gar nichts mit unserer Lage zu tun. Es war auch kein besonders pädagogisch wertvolles Mutmach-Lied oder ein schönes, beruhigendes, gar christliches Abendlied. Aber was soll ich sagen: Es hatte gewirkt. Wir sangen und sangen. Ziemlich laut - und sehr lange, bis die Lichter eines ADAC-Autos erschienen. Dann brachen wir in Jubel aus. Später haben wir immer gesagt, wir haben die Hilfe herbeigesungen.
Denn singen re-formiert, verwandelt und löst:
Singen lenkt ab, schafft Abstand und schenkt einen neuen Blick auf die Dinge. Singen tröstet und ermutigt. Singen verbindet: ich singe zusammen mit anderen, wir klingen gemeinsam gut oder laut, je nachdem ob Kantorei, Sportplatz, Kundgebung. Singen verbindet mich auch mit mir selbst, mit meinem Körper, wie ich atme und töne, und überhaupt dieser ganze faszinierende Zusammenhang von Stimmbändern, Zwerchfell, Lippen, Zunge…. bis in die Fußsohlen.
Und: Singen verbindet mich himmelwärts - mit Gott.
Das hat bereits Martin Luther gewusst. Nicht auf wissenschaftlicher Ebene. Er hat das getan, gelebt und genutzt. Ohne Musik, ohne Singen – gäbe es vermutlich keine Reformation. Es gäbe keine evangelische Kirchenmusik. Keine Posaunenchorarbeit. Keine Reformationsfeier wie am vergangenen Donnerstag. Man könnte die ganze Reformation auch als Sing-Bewegung betrachten und beschreiben. Und Martin Luther als singenden Reformator.
Die Melodie /der Soundtrack der Reformation ist vielleicht: „Ein feste Burg“. Denn Martin Luther hatte Spaß am Liedermachen. Oft hat er eine bekannte Melodie genommen und umgetextet. Reformiert. Verwandelt. Erfrischt. Erneuert. So entstand Musik, die uns bewegen will. Die uns zum Aufstehen, zum Tanzen und zum Tun bringen will. Dabei können wir spüren, wie der gesungene Glaube direkt ins Blut und unter die Haut geht. Denn der hoffnungsvolle Gesang trägt uns durchs Leben und Sterben.
Ich finde: „Wir sollten viel mehr singen!“
Rundfunkpfarrerin Julia Rittner-Kopp ist bekannt durch die Kurzandachten „Auf ein Wort“ im Bayerischen Rundfunk, oder die „Morgenfeier“ und im DeutschlandfunkKultur. Der Text ist ein Ausschnitt aus der Predigt zum Reformationstag am 31. Okt. in Erlangen. Gekürzt CK.