Gönn Dir Dunkelheit, in die hinein ein Licht strahlt.

Zu welchem Team gehören Sie: Team üppige Lichterketten oder Team sparsame Beleuchtung im Advent? Beides hat etwas für sich. Die Lichter unterstützen darin, wenn einem/einer die dunkle Jahreszeit zu finster wird. Denn Dunkelheit ist wie ein Spiegel für die Schwierigkeiten und Traurigkeiten. Ich gehöre definitiv zum Team 2, sparsame Beleuchtung. Mir sind das oft zu viele Lichterketten. Manchmal habe ich den Eindruck, die wenigsten Adventslichter brennen in Kirchen. Während Kaufhäuser schon vor Volkstrauertag hochfahren, was sie zu bieten haben, die Straßen illuminieren, selbst Privatwohnungen einer Lightshow gleichen, ist es in vielen Kirchengemeinden ziemlich dunkel. Dann wirken Kirchen für Leute von Team 1 wohl nicht gerade einladend, obwohl so viel Gutes geschieht.
Warum ich so gegen eine Übermenge an Lichtern bin? Ja, auch wegen der Energieverschwendung. Aber der eigentliche Grund ist ein anderer: Weil die wunderbare Adventsbotschaft nicht mehr transportiert werden kann. Die Adventszeit will anregen, dass wir uns Zeit nehmen, nach dem zu fragen, der unser Retter ist. Ein biblisches Sprachbild für den Heiland: Das Licht der Hoffnung. 
Der kommt und Frieden bringt. Das Licht leuchtet in der Finsternis. Wie lerne ich, das helle Licht zu suchen und zu finden, wenn über meiner Hecke drei Lichterketten blinken? So, das musste mal raus. 
Aber meine Sorge ist eine andere: Dass die Lichterketten und Dekorationen eine Leere überlagern. Team 1 weiß um diese Gefühle. Dunkelheit macht etwas mit uns. Gefühle von Trauer, Einsamkeit, Angst oder Stress. Man geht einsamer durch eine unbeleuchtete Straße. Menschen verzweifeln in der dunklen Jahreszeit. Da kann schöne Beleuchtung ablenken, im besten Sinne. Kann ermutigen. Definitiv. „Gerade im Winter brauche ich Licht“, sagte eine Studentin zu mir.
Die dunklen Kirchen. Plötzlich scheinen diese Orte zu sein, die unfreundlich wirken, zumindest von außen betrachtet. Doch das täuscht. Advent heißt, wir stellen uns dem Dunklen der Welt und nehmen das eigene Dunkle bewusst wahr. Wir wissen es doch alle, es gibt ziemlich viel finstere Momente und Landstriche. Ich bin froh, dass wir uns da nicht ablenken. Sondern uns Zeit nehmen, Gott zu bitten, einzuschreiten. Ihm zu sagen, dass wir die Welt nicht im Griff haben und seine Hilfe brauchen. Mit wenigen Kerzen fällt es mir leichter, mich auf diese bittende Zeit einzulassen: Zu entdecken, dass wir Gott brauchen. Indem wir hinsehen und uns nicht blenden lassen, sondern mit Dunklem rechnen. 
Wussten Sie, dass Advent früher auch eine Fastenzeit war? 
Wie wäre es mit einer täglichen Zeit der Lichtstille? Dann nur eine Kerze und Gott bitten: Um Hilfe für uns selbst, für Menschen in Not. Und für die entsetzliche Gewalt, in Kriegsgebieten, in den sozialen Medien. Nehmt Euch Zeit. Für den, der die Welt retten wird. Er kommt. Gönn Dir Dunkelheit, in die hinein ein Licht strahlt. Und nachher wieder, ganz bewusst, die schönen Beleuchtungen anmachen. Gesegnete Adventszeit allen, Team 1 und Team 2.  
Ihre Susanne Gillmann,  Pfarrerin der Ev.-reformierten Kirchengemeinde Erlangen
susanne.gillmann@hugenottenkirche.de 
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