Klima und Krieg, Energie und Wirtschaft, Demokratie- und Regierungskrise. Unsere Gedanken kreisen stetig um das, was nicht funktioniert und um das, was fehlt. Unsere gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Einrichtungen, die dem Wohl und Nutzen des Einzelnen und der Allgemeinheit dienen, stecken ebenfalls in der Krise. Jetzt laufen der evangelischen und katholischen Kirche die Gläubigen davon. Der existenzgefährdende Mitgliederrückgang in den Kirchen findet weitgehend ohne leidenschaftliche gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Diskussionen statt. Die Kirchenkritik äußert sich leider oft nur in einem kommentarlosen Kirchenaustritt vor dem Standesamt. Mir als Pfarrer bleibt dann nur noch der Eintrag ins Kirchenbuch der Kirchenein- und -austritte, das selbst in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in Eltersdorf nicht so viele Einträge umfasste wie heute.
In meiner Jugend waren meine Freunde evangelisch oder katholisch. Die Leute in meinem Dorf wussten, zu welcher Konfession das Gegenüber gehörte, aber verstanden sich alle als Christen. Dass dies nicht mehr so ist, hat natürlich auch mit Zuzug, Demographie und Geburtenrückgang zu tun. Doch auch bei den verbleibenden Christen lässt die Kirchenbindung spürbar nach. Der Exodus aus den institutionalisierten Kirchen ist unübersehbar, aber weitgehend geräuschlos. Und schließlich geht es noch ums Geld – die Kirchensteuer. Wenn das Geld in Zeiten sowieso knapp ist und zugleich die Identifikation mit der Kirche schwindet, geraten die Kosten für eine Kirchenmitgliedschaft in den Blick. Die Rede ist von einem stillen gesellschaftlichen Erosionsprozess. Aber auch die gottlose Gesellschaft steckt in einer tiefen Krise. Den Wenigsten ist bewusst, dass der christliche Glaube mit seinem aus dem Glauben heraus motivierten leistungsfreundlichen Ethos sehr hilfreich war für Wachstum und Wohlstand unseres Landes in der Vergangenheit. Umgekehrt ist vielen noch nicht bewusst, wie sich der dramatische Rückgang des christlichen Glaubens auf unser solidarisches Zusammenleben in Zukunft auswirken kann. Dennoch kommen Menschen heute zu dem Schluss, das Christentum wäre ein zu überwindendes Hindernis auf dem Weg zur friedlichen Gesellschaft.
Aber das Gegenteil ist für mich der Fall. Der Glaube an Jesus Christus birgt eine Menschen und Völker verbindende Vision des Friedens in sich und trägt zu einem friedlichen Miteinander aller bei. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1. Kor 16,14), die Jahreslosung für das Jahr 2024, stellt das deutlich klar. Hass und Gewalt haben in der Frohen Botschaft keinen Platz. Im Zentrum steht eben nicht ein machtstrotzender Herrscher des Himmels, sondern ein Verratener, Verleumdeter, Gequälter und Sterbender: Jesus Christus. Sein Leiden und Sterben stehen im Mittelpunkt und damit auch das Mitleiden. Das ist einzigartig in der Religionsgeschichte und gibt den Entrechteten dieser Welt Hoffnung und spendet den Leidenden Trost. Der gekreuzigte und auferstandene Christus fordert mich heraus, in meinem Leben selbst Barmherzigkeit und Nächstenliebe, Mildtätigkeit und Solidarität mit den Schwachen zu üben. Ja, die vielen Krisen können einem schon Angst machen. Und jetzt kommt auch noch eine Glaubenskrise hinzu. Sich immer nur zu beklagen, bringt aber bekanntlich nichts. Woran erkennt man den Unterschied zwischen einem Pessimisten und einem Optimisten? Der Pessimist sagt: „schlimmer wie’s ist, kann’s nicht mehr werden.“ Und der Optimist antwortet „doch!“.
Aber Scherz beiseite, Krisen gehören zum Leben dazu. Krisen und Anfechtungen sind schlicht Folge unseres Menschseins. Weil wir mit Jesus verbunden sind, stehen wir Christen in keiner Krise alleine mit leeren Händen da. Das gibt mir Kraft. Ich bin da sehr hoffnungsvoll und dankbar: "Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe"
Ihr Pfarrer Christian Schmidt von der Egidienkirche in Eltersdorf