„Volare!“ und „Azurro, azurro“

Liebe Leserin, lieber Leser,

In einer Fernsehreportage über Menschen in Rom wurde kürzlich auch ein Taxifahrer vorgestellt, der seine Fahrgäste singen lässt. Aus voller Kehle wurde da „Volare!“ und „Azurro, azurro“ gegrölt. Warum er auf seinen Fahrten dazu animiere? Die Antwort war ganz einfach: „Bei all den Staus auf Roms Straßen und dem Verkehr lenkt das Singen davon ab, immerzu sich nur Gedanken um andere Verkehrsteilnehmer/innen zu machen!“ Außerdem hebe sich sofort die Stimmung im Auto.

Am morgigen Sonntag wird in den evangelischen Kirchen der Sonntag „Kantate“ begangen. Dieses lateinische Wort ist übersetzt die Aufforderung zum Singen, wie der Psalm 98 im Alten Testament beginnt: „Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder!“

Gesang durchzieht wahrlich alle Bücher der Bibel. Immer wieder werden die Wundertaten Gottes im Lied gepriesen: durch Mirjam beim Auszug der Israeliten in die Freiheit wie im Weinberg am Ende des Sommers bei Jesaja. Auch in traurigen Zeiten half der Gesang, wie bei den Israeliten an den Wasser Babylons, zu denen sie exiliert worden waren (im Psalm 137).

Beten und singen gehören nach dem Verständnis des Paulus zusammen und sie umfassen Gemüt und Verstand. Im 1. Brief an die Korinther schreibt er: „Ich will beten mit dem Geist und will auch beten mit dem Verstand; ich will Psalmen singen mit dem Geist und will auch Psalmen singen mit dem Verstand.“

Immer wieder nehmen die Medien das Thema „Singen“ gerne zum Anlass, die Ergebnisse von Studien vorzustellen, die Belegen, dass Singen und Musizieren das Gehirn auch im Altar fit halten. Dabei - so eine andere Statistik - singen zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen in unserem Land nicht laut. Was sie vor allem davon abhält, ist das negative Urteil ihrer Mitmenschen über ihre gesanglichen Fähigkeiten.

Sollte einem das vom Singen wirklich abhalten? Muss jeder Ton wirklich sitzen? Freut sich Gott nicht auch über einen nur mäßig schönen Gesang, wenn er denn aus ganzem Herzen kommt? Hilft nicht das Singen, jene dunklen Geister, die einen überkommen, zu vertreiben?

Menschen, die früh mit dem Singen angefangen haben, denen bleibt lange etwas. Selbst beim Gottesdienst und beim gemütlichen Beisammensein mit dementen Personen ist es genau dieses Singen, das den Geist, der immer mehr vergeht, neu lebendig macht.

Der Taxifahrer in der ewigen Stadt hat schon Recht, wenn er in seinem Gefährt mit Karaokeprogramm und Musik zum Singen einlädt! Die Welt erschließt sich neu; die Sorgen erhalten ihren rechten Platz - und gut tut es einem sowieso! 

Ich wünsche Ihnen gesegneten Sonntag mit viel Musik!
Herzlichst
Pfr. Dr. Peter Baumann
Altstädter Kirchengemeinde