Liebe Leserinnen und Leser!
Eine Geschichte erzählt von einem sehr weisen Mann, den neidische Mitmenschen bloß stellen wollten. Mit einer Maus in der Hand gingen sie zu ihm und fragten: „Sag uns: Lebt die Maus in unserer Hand oder ist sie tot?“ Die Hinterlistigen hatten abgemacht: Antwortet der Alte, sie lebt, drücken wir die Faust, um die Maus blitzschnell zu töten. Sagt er aber, sie ist tot, lassen wir sie lebend davon laufen. Der Weise schaute sie eine Weile schweigend an, dann erwiderte er: „Ob die Maus lebt oder tot ist, das liegt in eurer Hand!“
Ob es auch in unserer Hand liegt, wie dieses neue Jahr werden wird? Nicht wenige von uns haben 2022 mit guten Wünschen, Hoffnungen und Vorsätzen begonnen. Wir tragen ins uns die Sehnsucht nach Heil und Wohlergehen, danach, dass alles gut werden wird. Viele fragen sich mit Sorge: Wann wird das Ende der Pandemie erreicht sein, wie wird der Konflikt in der Ukraine ausgehen, wie sehr wird sich der Klimawandel vor der eigenen Haustür bemerkbar machen? Für so vieles können wir unseren Beitrag leisten und das Gute fördern, aber es gibt so manches im Leben, was wir trotz bestem Willen nicht beeinflussen können und über uns ergehen lassen müssen.
Dennoch: Vor uns liegt ein neues Jahr. Wir haben die Möglichkeit, die uns geschenkte Zeit zu vergeuden und mit nutzlosen Taten totzuschlagen, wir haben aber ebenso die Chance, das Gut Zeit sinnvoll zu nutzen und zumindest unser Umfeld menschenfreundlich und lebenswert zu gestalten. Mit unseren eigenen Händen und natürlich auch Worten können wir zum Wohl unserer Mitmenschen und der Schöpfung beitragen, aber auch vieles zunichtemachen. Gott selbst gewährt uns diese Freiheit. Ein Mensch, der sich dessen bewusst ist, begreift, welch große Verantwortung ihm sein Schöpfer zutraut und mitunter zumutet. Jeder von uns weiß, wie herausfordernd es sein kann, die anvertrauten Aufgaben gut zu erledigen, und dem Nächsten gegenüber gut, edel und hilfreich zu sein. Nicht alles verläuft trotz größten Bemühens wie gewünscht, so manches bleibt unvollständig oder zerbricht unwiderruflich wie Glas. Erfolg, Glück, Anerkennung und so viele Dinge mehr, die wir uns und anderen wünschen, lassen sich weder erzwingen noch auf Dauer festhalten. Sie sind vielmehr ein kostbares Geschenk auf unbestimmte Zeit. Die Tatsache des „Wieder-Verlieren-Könnens“ prägt alles Zeitliche. Allein die Ewigkeit Gottes ist der Zustand des „Für-Immer-Haben-Dürfens“. Nichts ist also selbstverständlich. Umso größer darf die Freude sein, wenn etwas Gutes gelingt, Erleichterndes geschieht und Schönes sich ereignet, im Kleinen wie im Großen.
„Vergiss die Dankbarkeit nicht“, so sagte es mir ein alter Priester vor vielen Jahren immer wieder aufs Neue. Dankbarkeit, ist nicht auch sie ein guter Vorsatz für das neue Jahr?
Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen ein „geschicktes Händchen“ um 2022 möglichst gut und lebensbejahend zu meistern, sowie täglich mindestens einen Grund zur Freude und zur Dankbarkeit!
Michael Schüpferling
Leitender Pfarrer des Katholischen Seelsorgebereichs Erlangen
Dienstsitz: St. Theresia, Erlangen-Sieglitzhof