Wieder ein Jahr mit Unwägbarkeiten und Veränderungen, aufdringlich, weil im Alltäglichen – und mit dem neuen Abschiedsgruß: „Bleiben Sie zuversichtlich!“ – Was gibt Ihnen Zuversicht beim Blick auf das noch junge Jahr?
Vertrautes, würde ich zunächst sagen. Menschen, mit denen zusammen ich das neue Jahr beginnen konnte, zumindest gute Wünsche persönlich ausgetauscht habe, auf sie vertraue ich. Alltägliche Wege, zu Terminen durch die Stadt und zur Erholung im Wald, erden mich. Arbeitsschritte, die ich übersehe und kompetent ausführe, vergewissern mich. Könnte ich mich an Gott wenden, wie an ein Familienmitglied, „meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich traue“ (Psalm 91,2)? Biblische Zeugnisse stellen Gott so vor, alte Traditionen kennen ihn so: Gott hat alle Ordnungen wunderbar gesetzt und erhält sie nun. Das heißt? Golfstrom und Atmosphäre, Land und Fluss, tanzende Mücken und ziehende Vögel?
Wir erleben es anders – und sind nicht die ersten. Wir müssen mit Veränderungen zurecht kommen, schon ohne Katastrophen, im persönlichen Leben und Altern, in der Gesellschaft mit allem Fortschritt und in der Welt der Lebewesen mit Virusmutationen und Artensterben. Wie kann das sein, wenn doch Gott eine Burg und ein Bewahrer ist. Dann versündigt sich wohl die ganze Welt gegen Gott, die Menschen besonders – oder es gibt ihn gar nicht. Auch diese Traditionen reichen bis in die Bibel zurück.
Der 2. Prophet mit dem Namen Jesaja erfuhr Gott anders. „Siehe, ich schaffe ein Neues; jetzt wächst es auf, erkennt ihr´s denn nicht?“ (Jes 43,19), so gibt er Gottes Wort weiter. Da liegt das ganze Land verheert, und das Volk lebt im ganzen Orient zerstreut. Anfangs jedoch war Israel erst entstanden, weil Gott ein Neues schuf, indem er die allerlei Bausklaven auf gemeinsame Flucht aus Ägypten führte. Jesaja erinnert daran und traut auf Gottes unablässiges Erschaffen. Er sieht Gott nicht zusammen mit dem Vergangenen untergehen, sondern er entdeckt ihn überall, wo sich Lebensmöglichkeiten auftun, bisher unbekannt, aber doch echt.
Diese Sicht finde ich für unsere Zeit sehr plausibel. Physikalisch wissen wir, dass die kleinsten Elemente für alles, was ist, keine Teilchen sind, sondern Bündelchen Energien, immer in Bewegung. Biologisch lernen wir immer besser, wie nur das, was unablässig erneuert wird, am Leben bleibt. Alles, was es gibt, nimmt auch selbst Einfluss auf seine Entwicklung – nicht immer für alle zum Guten. Aber zugleich ist Gott schöpferisch tätig, zum Weiterleben, zum neu Aufleben. Ohne seine Kreativität könnte es nichts geben, und zwar jetzt und hier.
In unserer Zeit kann ich demnach Zuversicht aus dem Glauben an Gott schöpfen, weil er die Welt auf immer neue Möglichkeiten hin erschaffen hat, weil er mit den Entwicklungen am Leben erhält und in den Veränderungen Wege zum Heilsamen öffnet.
Pfarrerin Dr. Isolde Meinhard
Hochschulpfarramt an der FAU Erlangen