Liebe Leserinnen und Leser!
Ich werde immer wieder gefragt, ob man Bettlern in Erlangen Geld geben soll oder wie man ihnen sonst helfen kann.
Diese Frage zu beantworten ist gar nicht so einfach, weil sich jeder Fall anders darstellt:
• Da gibt es die osteuropäische Mutter, die Leute anspricht und um Geld für ihre Kinder bettelt.
• Ein älterer Herr aus der Slowakei sitzt auf einem Hocker, vor sich eine Schale mit Kleingeld. Er grüßt freundlich die Passanten ohne sie zu belästigen.
• Ein junger Mann aus Osteuropa sitzt mit Hund am Boden vor einem Supermarkt mit einer Schale vor sich. Die Aufmerksamkeit soll auf die Bedürftigkeit des Hundes gerichtet werden.
• Ein alkoholisierter Deutscher schnorrt hinter dem Bahnhof die Bahnkunden um einen Euro an.
• Eine Frau aus Rumänien kniet mit einem Schild am Boden mit der Bitte um Hilfe wegen Hunger.
• Ein Mann läuft mit einem Zettel herum und bittet Passanten um Hilfe. Auf dem Zettel steht, dass sein Haus in Bulgarien durch einen Hochwasserschaden unbewohnbar geworden ist.
Für mich ist – neben den 7 Werken der Barmherzigkeit - folgende Ermahnung aus der Bibel für meinen Dienst an den Bedürftigen ausschlaggebend. Paulus schreibt an die Thessalonicher (2.Thess. 3,10-12):
„Als wir bei euch waren, haben wir euch ausdrücklich gesagt: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen. Nun hören wir, dass es einige unter euch gibt, die ein ungeregeltes Leben führen. Sie arbeiten nicht, sondern treiben sich unnütz herum. Wir ermahnen sie im Namen des Herrn Jesus Christus mit allem Nachdruck, dass sie einer geregelten Arbeit nachgehen und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.“
Selbstverständlich sind davon Bedürftige ausgenommen, die unverschuldet z.B. wegen ihrer Krankheit, ihren Lebensunterhalt nicht mehr selber bestreiten können.
Für meinen Dienst bedeutet das konkret:
• Ich grenze mich von aggressiven Bettlern ab und weise sie darauf hin, dass diese Unart von Betteln verboten ist.
• Bettlern im arbeitsfähigen Alter biete ich konkrete Hilfe bei der Zimmer- und Arbeitssuche an.
• Alkoholisierte Schnorrer weise ich darauf hin, dass sie zusätzlich zu ihren Hartz-IV-Leistungen 1,25 Euro pro Stunde bekommen, wenn sie eine Arbeitsmaßnahme vom Jobcenter annehmen.
• Ich gehe auf die passiven Bettler zu und unterhalte mich mit ihnen. Dabei erzählen sie mir oft, wo der Schuh gerade drückt.
• Ich lade Bedürftige in die bestehenden sozialen Einrichtungen ein, wo sie weitergehende Hilfen bekommen.
An anderer Stelle schreibt Paulus im 2. Korintherbrief (Kapitel 9)." Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb"
Das zeigt, es gibt kein Patentrezept, wie man Bettlern am besten helfen kann. Denn es gibt vielfältige Wege der Hilfe: Ob man mit dem Bettler das Gespräch sucht, ihm etwas Geld zukommen lässt oder ihn zum Essen oder ins Kino einlädt, das muss jeder selbst entscheiden.
Ganz wichtig ist für mich, dass ich den Bedürftigen auf Augenhöhe begegne, damit nicht der Eindruck entsteht, ich bin was Besseres. Menschen, die auf der Straße leben, sind sehr empfänglich für jede Art von Wertschätzung. Damit bekommen sie die Menschenwürde verliehen, die sie so dringend brauchen.
Diakon Ostermeier
Obdachlosenhilfe Erlangen e.V.