Vor drei Wochen war ich das erste Mal wieder im Fitnessstudio. Es war anstrengend nach so langer Zeit den eigenen Körper wieder in Bewegung zu bringen, aber danach fühlte ich mich zutiefst wohl und zufrieden. Es war wie wenn sich eine tiefe Sehnsucht nach Leben erfüllt hätte. Die Freude am eigenen Körper war wieder geweckt.
Die Freude am eigenen Körper hat für mich aber auch eine Kehrseite. Um den Körper hat sich ein richtiger Kult und eine profitable Industrie entwickelt. Allerorten finden sich Wellnessoasen und Fitnessstudios. Es gilt bis an die Grenzen zu gehen und sie besser noch zu überschreiten. Läufer warten auf „Runner´s High“, andere quälen sich beim Workout für den Waschbrettbauch und wieder andere verschönern ihren Körper weniger schweißtreibend, in dem sie sich liften, absaugen, umformen. Ein wohlgeformter, fitter Körper erscheint vielen als Voraussetzung für die Freude am Leben.
Es gibt aber auch einen anderen Weg mit dem eigenen Körper umzugehen und für dieses Körperbewusstsein gibt es Raum im christlichen Glauben. Der Apostel Paulus lädt uns förmlich dazu ein, unseren Körper wahrzunehmen. Er schreibt im ersten Korintherbrief: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst. Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leib. (1Kor 6,19f)
Der Körper als ein Tempel, in dem Gott wohnt. Könnte ein Mensch den Körper besser würdigen als einen prächtigen Tempel, ein Raum, der heilig ist. Da schwingt kein bisschen Körperfeindlichkeit mit. Gott wohnt in meinem Körper. Ganz gleich ob er alt oder jung, muskulös und durchtrainiert oder schlaff und schwach ist, krank, gebrechlich und ausgemergelt oder gesund, vor Kraft strotzend und schön, gleich ob dick oder dünn, den Idealmaßen entsprechend oder nicht. Allerdings tun sich viele Menschen schwer, den eigenen Körper zu verstehen, weil ihnen das Gespür für ihn abhandengekommen ist. Wir sind unser Körper. Er ist nichts, was von uns getrennt wäre. Körper ist nichts, was man hat. Mein Körper bin ich und er gibt meinem Leben Gestalt und hilft mir, das, was innen und außen ist und geschieht, wahrzunehmen.
Gott wohnt in meinem Körper, so wie dieser Körper nun mal ist, so wie er war und so wie er morgen und in Zukunft sein wird. Und mit diesem meinen Körper bin ich eingeladen, Gott zu loben. Aber wie geht das? Wie können wir, - so wie uns Paulus ermuntert, - Gott mit unserem Körper loben. Wie kann es gelingen, dass unser Alltag etwas mit Gott in unserem Körper zu tun hat und unser Körper etwas mit Gott? Es kann uns gelingen, wenn wir achtsam mit unserem Körper umgehen und das, was wir tun, bewusst tun. Ein Meister wurde einmal um sein Geheimnis gebeten, wie es ihm gelänge immer so gelassen und präsent zu sein. Er sagte: „Wenn ich sitze, sitze ich, wenn ich stehe, stehe ich, wenn ich gehe, gehe ich“. Die Zuhörer erwiderten: „Das tun wir doch auch!“ Er antwortete: „Nein, das tut ihr nicht. Wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon, wenn ihr steht, dann geht ihr schon, wenn ihr geht, dann seid ihr schon am Ziel“.
Mein Körper kann mir zu einem guten Freund werden. Er ist so etwas wie ein Lotse zu einem erfüllten Leben und zur Lebensfreude im Hier und Jetzt.
Autorin/Autor:
Kath. Hochschulseelsorger Harald Kreßmann
Katholische Hochschulgemeinde Erlangen
24.07.2021 (Woche 29/21)