Liebe Leser:innen,
genau drei Wochen bayerischer Sommerferien liegen nun hinter uns, drei weitere vor uns. Wir befinden uns also gefühlt in der „Mitten Mitte“. Ich komme auf diesen Ausdruck wegen eines Liedes von Reinhard Mey. Es lautet „Serafina“ und beginnt mit folgenden Zeilen: „Neustädtische Straße auf der Ecke Reichstagsufer. Mitten im mittesten Mitte, grad aus dem Boden gestampft. Ein Haus wie ein Knast, drin das Ristorante ´La Tartuffa´…“ (Reinhard Mey, Album Einhandsegler, 2000).
In dem Lied geht es um dieses Ristorante, aber vor allem geht es um eine Frau, um Serafina. Sie überstrahlt alles: das schlechte Essen, den bescheidenen Wein, die lausige Einrichtung, die ungespülten Gläser. Und doch mag ein jeder (Mann) so gerne in das Lokal kommen, weil sie da ist: Serafina, die bezaubernde Bedienung.
Hört man das Lied, so wie ich, nach Jahren zufällig wieder, dann fällt zweierlei auf. Zum einen, dass eine Frau nicht zu sich selbst steht oder stehen darf. Denn dieses Serafina heißt ganz anders, ihr Name lautet eigentlich Valentina. Und sie ist nicht solo oder auf der Suche nach Männern, sondern sie liebt nur einen, sie liebt Vassili. Und der ist Spüler in der Küche. Ihr einziger Schatz.
Das andere, das auffällt, ist, dass Valentina und Vassili aus Otjakov bei Odessa stammen, aus der Ukraine.
Somit erinnert uns das Lied an zwei Themen, die uns auch diesen Sommer schwer werden lassen. Den schrecklichen Angriffskrieg gegen die Ukraine und gegen Städte wie Odessa am Schwarzen Meer. Zum anderen daran, dass es viele Menschen gibt, die erst nach und nach lernen oder sich trauen, zu sich zu stehen. In beiden Fällen liegt der Grund in Aggression von außen.
Sind wir bei der einen Aggression leider weitgehend hilflos, so können wir uns der anderen aber umso mehr entgegenstellen. Und zwar dadurch, dass wir einen jeden Menschen so annehmen, wie er ist. Dass wir jeder und jedem den Mut zusprechen, er oder sie selbst zu sein.
In Psalm 139 spricht unser Gott uns zu, dass er uns kennt, dass er um uns weiß und dass er mit uns ist, ganz gleich wo wir auch sind. Dieses Wissen Gottes führt aber nicht zur Ablehnung, sondern zur Annahme. Ja, Gott möchte uns annehmen, wie wir sind. Und Jesus konkretisiert es dadurch, dass er sagt: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“ (Joh 15,12)
Mögen wir im Kleinen von dieser Liebe geleitet sein. Und im Großen für Liebe und für Frieden beten. Auch jetzt, Mitten in der Mitte der Sommerferien.
Ihr Pfarrer Peter Söder aus Aurachtal und Oberreichenbach