Was macht, dass ich so fröhlich bin
In meinem kleinen Reich
Ich sing und tanze her und hin
Vom Kindbett bis zur Leich
„Das Leben ist eines der gefährlichsten und endet meist tödlich“ ruft mir augenzwinkernd ein Bekannter von der anderen Straßenseite aus zu, nachdem mich ein Autofahrer an der Kreuzung beinahe vom Rad geholt hatte. Da ist er wieder – so ein Moment, in dem ich nachdenklich werde: Stimmt! Da hat er recht. Und mir wird einmal mehr deutlich: Von einem Moment auf den anderen kann das Leben zuende sein. Da muss mich noch nicht mal ein Auto vom Rad holen. Gerade eben erst haben wir den Mitarbeiter beerdigt, der völlig ohne Vorwarnung und mitten im Leben stehend an einem Herzinfarkt gestorben ist.
Wir sorgen vor fürs Alter. Wir schließen Versicherungen ab. Wir sparen. Wir verschieben unser Leben auf später. „Wenn ich den besseren Job habe, dann . . .“ oder „Wenn die Kinder groß sind, dann . . .“ oder „Wenn ich in Rente bin, dann . . .“ Schade eigentlich!
Martin Luther textet in einem Lied: „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“. Zugegeben, die Grammatik ist ein bisschen altertümlich, aber der Inhalt ist immer noch zutreffend. Ich denke an unsere Matthäuskirche in Uttenreuth. Sie steht auf dem Friedhof. Um Gottesdienste zu feiern, mitten im Leben, manchmal fröhlich und beschwingt, manchmal nachdenklich und leise, gehen wir an den Gräbern der Verstorbenen vorbei. Leben und Sterben ganz nah beieinander und das nicht nur, wenn’s mich persönlich trifft, sondern im Alltag. Ich glaube, es tut uns Menschen gut, den Tod in unser Leben hinein zu holen. Nicht um uns das Leben zu vermiesen, nicht um in ständiger Angst und Sorge auf das Ende zu starren wie das Kaninchen auf die Schlange, sondern ganz im Gegenteil: um die Fülle des Lebens auszukosten, um zu leben im Hier und Jetzt. Nicht in Saus und Braus und über alle Maßen ohne Rücksicht auf Verluste – das meine ich nicht. Aber ich will mein Leben nicht verschieben auf später irgendwann. Ich will mein Leben leben, jeden Tag, und mit allem, was an diesem Tag dazu gehört, mit Sonnenschein und Regen und Fröhlichkeit und Schmerz, mit allem was gelingt und allem was mich so sehr nervt, an mir und an anderen, das ganze bunte Leben!
Nein, ich habe nicht alles unter Kontrolle, ich habe keine Ahnung, wann mein Leben zuende sein wird, ob im Straßenverkehr oder durch einen Herzinfarkt oder lebenssatt im hohen Alter, und deshalb will ich an jedem Tag nehmen, was er bringt, und mich den Worten von Hanns Dieter Hüsch anschließen:
Was macht, dass ich so fröhlich bin
In meinem kleinen Reich
Ich sing und tanze her und hin
Vom Kindbett bis zur Leich
Was macht, dass ich so furchtlos bin
An vielen dunklen Tagen
Es kommt ein Geist in meinen Sinn
Will mich durchs Leben tragen
Was macht, dass ich so unbeschwert
Und mich kein Trübsinn hält
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt
Wohl über alle Welt
Autorin/Autor:
Pfarrerin Gerhild Rüger
Evang. Luth. Kirchengemeinde Uttenreuth und stellvertretende Dekanin
19.09.2020 (Woche 38/20)