Du stellst meine Füße auf weiten Raum

Psalm 31,9

In diesen unsicheren Corona-Zeiten suche ich immer wieder den weiten Horizont auf. Wer weiß, wie lange das noch so weitergeht mit den Beschränkungen, den Abständen, den Masken … ? Wann wird man sich wieder einmal ohne Bedenken die Hand geben können … ? - Da ist man allemal draußen gut aufgehoben, kann die täglichen Fallzahlmeldungen einmal hinter sich lassen. 
In unserer Kirchengemeinde suchen wir immerzu nach Möglichkeiten, wie menschliche Kontakte und Treffen unter den derzeitigen Bedingen zu verwirklichen sind. Besteht doch Kirche im Wesentlichen aus Begegnung und Gespräch – zwischen Menschen – und zwischen Menschen und Gott. Ein Glück, dass es gelungen ist, Gottesdienste weiterzufeiern – mit Gesang. Die digitale Variante stellt sich hin und wieder als ein Behelf heraus – von Videokonferenzen kann fast jeder ein Lied singen -, das kann auf Dauer jedoch die „reale Präsenz“ von Mensch zu Mensch nicht wirklich ersetzen. Kompromisse sind gefragt. Seit Pfingsten stehen in unserem Pfarrgarten zwei Pavillons, in denen viele Gespräche geführt werden. Doch allmählich kann man das auch nur noch den abgehärtetsten Zeitgenossen zumuten. Bald werde ich wohl in den nächsten Monaten auch darauf verzichten müssen.
Die Überlegungen, wie wir in der Kirche den Heiligen Abend feiern sollen, beschäftigt landauf landab die Gemüter. Größere Menschenansammlungen sind in unseren Kirchen nicht mehr unterzubringen. Die alte Tradition „Waldweihnacht“ – oder Vergleichbares - wird wohl auch hier zu neuer Blüte reifen.
Wir werden mit ungeahnter Härte auf die Bedrohung und Verwundbarkeit menschlichen Lebens aufmerksam gemacht. Das ist schon immer ein Glaubensthema, mit dem sich Menschen auseinandersetzen. – Jedoch geht es in der Botschaft des Evangeliums um die Ermutigung zum Leben, um Hoffnung auf eine gute Zukunft. Die größte Gefahr sehe ich darin, dass Ängste, womöglich noch geschürt durch Verschwörungstheorien, stärker um sich greifen und den Raum erobern. 
Nein! Das dürfen wir nicht unwidersprochen zulassen! Der Heilige Geist, der uns gerade in der kommenden Advents- und Weihnachtszeit die Wege beleuchten will, ist immer noch da. Zum Glück schenkt uns die Natur, die Schöpfung, in ihrem unerschütterlichen Fortgang den Eindruck, dass die Welt sich nicht so einfach aus den Angeln heben lässt. Es lohnt sich, auch bei Wind und Wetter, Spaziergänge zu unternehmen. - Vielleicht ist ein Gewinn dieser Zeit, dass wir das Leben neu schätzen lernen. Gottesdienste, die dem Heiligen unter uns stets den Raum neu eröffnen, bleiben wichtige Besinnungszeiten. Wir geben unser Bestes, das von ihnen Ermutigung ausgeht. 
Du stellst meine Füße auf weiten Raum … Dieses Psalmwort soll uns begleiten. 
Und ich staune immer wieder über Weggefährten, die ihren Humor nicht verlieren, die sich weiterhin einsetzen für menschliche Nähe und Begegnungen. Gott sei Dank!

Christoph Thiele

Autorin/Autor:
Pfarrer Christoph Thiele
Evang.-Luth. Kirchengemeinde Kalchreuth
17.10.2020 (Woche 42/20)