Besser scheitern oder der Wert des Irrtums.

„Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ Das ist die Devise des Schriftstellers Samuel Becket. Was für die Kunst gilt, gilt auch für den Sport. Wer an die Spitze will, darf keine Angst vor Niederlagen haben. Scheitern, sich irren, Fehler machen – das gehört zu unserem Leben dazu. Schon die alten Römer wussten, dass irren menschlich ist. Der französische Wissenschaftstheoretiker Gaston Bachelard geht sogar noch weiter. Er ist davon überzeugt, dass nur wer irrt, eigentlich verstehen kann. Für ihn gibt es keine Wahrheit ohne korrigierte Irrtümer. Die wahren Gelehrten mache aus, dass sie ihre anfänglichen Fehler korrigieren und überwinden.
Obwohl wir den Wert des Irrens und Scheiterns in Kunst, Sport und Wissenschaft sehen, tun wir uns doch in aller Regel im Alltag schwer damit.  All zu oft ist das Irren und Scheitern schambehaftet und schuldbeladen. Manch eine verharrt lieber in der Unentschiedenheit als zu riskieren, einen Fehler zu machen. Wer scheitert, ist nicht nur gescheitert, sondern fühlt sich schnell als Versager. So beschreibt es Charles Pépin in seinem Buch „Die Schönheit des Scheitern“ nach jahrzehntelanger Erfahrung als Philosophielehrer. Er wirbt für eine eine höhere Fehlertoleranz und für eine regelrechte Irrtumskultur in unseren Breitengraden. Während in den USA eine junge Start-up- Unternehmerin für ihren Wagemut gewürdigt wird, auch wenn sie ihr erstes Unternehmen in den Sand setzt, gilt die gleich Person hierzulande als kreditunwürdig für alle Zeit.
Mich erinnert Pépins Plädoyer an eine Aussage von Martin Luther. Luther, der selbst in jungen Jahren versucht hat, ein fehlerfreies, vollkommenes und Gott wohlgefälliges Leben zu führen, rät später den Verzagten: Sündige tapfer, glaube umso tapferer! Übersetzt heißt das für mich: Hab keine Angst davor, Fehler zu machen und Dein Ziel zu verfehlen. Du kannst nicht jeden Fehler und Irrtum vermeiden und musst Du auch nicht. Fehler zu machen, sich zu irren und zu scheitern zeichnet das menschliche Lernen gerade aus. Wenn Du alle Fehler vermeiden willst, wirst Du am Ende Dich selbst verfehlen. Das will niemand, schon gar nicht Gott. Ein Fehler, bleibt ein Fehler, ein Irrtum, ein Irrtum, aber wenn Du darauf vertraust, dass Gott einer ist, der Fehler und Irrtümer verzeiht und vergibt, dann ist viel gewonnen. Du wirst in Deinem Irrtum nicht verharren, sondern aus Deinen Fehlern lernen. Du wirst sensibel dafür bleiben, dass wir alle einfach Fehler machen und daher immer wieder auf gegenseitige Vergebung angewiesen sind. Wer irrt, scheitert und daraus lernt, erfährt etwas über die Realität, was er vorher über diese nicht wusste. Im besten Falle kommt derjenige der Wahrheit über die Welt, sich selbst und Gott ein Stück näher. Und das wäre doch ein voller Erfolg, oder?!

Erfolgreiches Scheitern und viel Freude beim Irren wünscht Ihnen zum Semesterbeginn in der Wissenschaftsstadt Erlangen

Ihre Julia Nigmann

Julia Nigmann

Autorin/Autor:
Julia Nigmann
Pfarrerin der ESG Erlangen
23.10.2021 (Woche 42/21)