Als ich in dieser Woche mit den Kindern im Garten des Kindergartens den St. Martinstag feierte und wir mit den Laternen einen kleinen Umzug machten, so wie es in dieser Coronazeit verantwortungsvoll möglich ist, da erinnerte ich mich an meine eigene Kindheit. In den Tagen vor dem Martinstag wurden mit viel Liebe und Leidenschaft Laternen gebastelt und wir fieberten als Kinder auf den Laternenumzug mit dem Martinsspiel hin. Es war jedes Mal etwas ganz Besonderes mit so vielen Kindern und Laternen durch den Ort zu ziehen, vorweg auf einem Pferd der Hl. Martin, bzw. jemand, der den Heiligen verkörpert hat. Und dann das beeindruckende Martinsspiel bei dem die berühmte Legende des Heiligen Martins nachgespielt wurde, die mich immer wieder fasziniert.
Als römischer Soldat ritt er mit seinen Begleitern in die Stadt Amiens wo er an einem kalten Winterabend am Stadttor auf einen armen obdachlosen Bettler traf. Martin sah ihn, hielt sein Pferd an, stieg ab. Er teilte seinen Mantel und legte die eine Hälfte dem Bettler um, die andere sich selbst. In dieser Nacht träumte Martin, dass Jesus ihm erschien. Jesus freute sich über Martins Tat sagte ihm: Dieser Bettler war ich. Was du ihm Gutes getan hast, das hast du mir getan. Darauf beendete Martin seine Karriere als Soldat und wurde Christ.
Ob und wie sich das zugetragen hat, das wissen wir nicht genau. Jedoch zeigt diese Legende für mich, was den Heiligen Martin ausmachte und was ihn wohl auch so beliebt machte bei seinen Mitmenschen bis heute.
Martin hat offene Augen, er ist aufmerksam, was um ihn herum geschieht, vor allem hat er seine Mitmenschen im Blick, nicht nur seine Begleiter. Er nimmt auch diesen Bettler wahr, den die anderen übersehen haben. Er nimmt ihn nicht nur zur Kenntnis, sondern er nimmt ihn als Mensch wahr, als Mensch, der nicht einmal das nötigste zum Leben hat, seiner Würde beraubt ist, egal ob aus fremdem oder eigenem Verschulden.
Und Martin hat ein weites Herz. Das Schicksal dieses Bettlers lässt ihn nicht kalt, er hat ein Herz für ihn und wendet sich im zu, hilft ihm. Er teilt seinen Mantel, er hat immer noch genug und der Bettler muss nicht erfrieren. Er gibt ihm damit auch wieder seine Würde.
Der Hl. Martin ist auch heute eine Anfrage an uns als Gesellschaft und mich ganz persönlich. Schauen wir als Land und Europäische Union auf die Flüchtlinge an der Grenze zwischen Belarus und Polen, die kaum das nötigste haben und heute zu erfrieren drohen, nehmen wir sie wahr und ernst, wie gehen wir mit ihnen um? Das ist nur ein Beispiel von vielen.
Wie aufmerksam und achtsam bin ich meinen Mitmenschen gegenüber. Habe ich sie im Blick? Nehme ich die Sorgen und Nöte wahr? Wie gehe ich angesichts der Pandemie mit meiner eigenen und der Gesundheit meiner Mitmenschen um? Bin ich bereit etwas zu geben, zu teilen, meinen Beitrag zu leisten, zu helfen? Habe ich, wie der Hl. Martin, offene Augen und ein weites Herz?
Autorin/Autor:
Pfarradministrator Johannes Saffer
Katholischer Seelsorgebereich Aurach-Seebachgrund
13.11.2021 (Woche 45/21)