Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wer dieser Tage durch Münchaurach fährt, dem bietet sich ein faszinierender Anblickt, besonders in den Abendstunden des Wochenendes. Der Kirchturm unserer alten Klosterkirche, die seit bald 900 Jahren das Wahrzeichen unseres Ortes ist, ist komplett eingerüstet. 55 Meter hoch mit 99 Stufen im Inneren, ist er von weitem zu sehen, besonders wenn er in den dunklen Stunden von Freitag bis Sonntag angestrahlt wird.
Blickt man auf den Turm, von dem das Licht der Strahler ob des Gerüsts glänzend zurückgeworfen wird, dann mag man vielleicht eine Vorstellung davon haben, was die Begriffe Toten- und Ewigkeitssonntag trennt.
Für mich bedeutet der Begriff Totensonntag einen Blick auf das Hier und Jetzt. Wir vermissen unsere Verstorbenen, wir trauern um sie und wir wissen manchmal nicht, wohin mit der Leere, die sich Raum bricht. Sie sind nicht mehr greifbar und das, was bleibt, ist irgendwie eingerüstet, auch wenn dabei so viel Licht und Erinnerung uns weiterhin entgegenscheint.
Beim Tod meiner Mutter im vergangen Jahr war es für mich zumindest so. Wie viele schöne Stunden sind in mein Gedächtnis gekommen, wie viel Positives und Gutes. Und doch war ich nun getrennt von ihr, wie durch ein Gerüst, das zwar Licht der Erinnerung reflektiert, aber uns doch scheidet.
Mit dem Begriff und der inhaltlichen Füllung des Ewigkeitssonntags ändert sich aber vieles. Bildlich darf ich dann nämlich durch das Gerüst und die Fassade hindurchschauen. Etwas Neues bekommt plötzlich Platz, auch wenn ich nur Schemen erkenne. Denn nun sehe ich in mir ein Licht. Ein Licht, das nicht von außen kommt, sondern von dem, was dahinter sich verbirgt.
So, wie ich weiß, dass das Gerüst den wohlvertrauten Kirchturm nur verbirgt und dieser auf die Kirche verweist, so nehme ich glaubend wahr, was hinter und nach dem Tod geschieht. In Gedanken darf ich eintreten in einen Raum, der nun mit warmem, sanftem Licht ausgefüllt ist. Ein Raum, in dem ich mich wohl fühle, wenn ich nur daran denke. Voller Liebe und Herzlichkeit. Es ist der Ort der Ewigkeit, in dem ich meine Mutter und unsere Verstorbenen im Glauben annehme. Und all die Wärme und Liebe empfange ich dort von ihm, von Gott dem Schöpfer und Erhalter aller Zeit.
In der Bibel ist vom himmlischen Jerusalem dabei die Rede. Von glänzenden Toren und Straßen. Bilder, die Ausdruck der großen Hoffnung sind. Und ganz zum Schluss lesen wir in dieser Bibel die Worte, die mich immer wieder bewegen. Worte eines Propheten. Dieser schreibt in der Offenbarung des Johannes: „Der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein. Denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß sprach: ´Siehe, ich mache alles neu.´“
Welch´ schöner Gedanke! Ja, alles wird neu, alles wird gut. Bei dem, der Anfang und Ende in seinen Händen hält.
Wagen wir es, durch das Gerüst immer wieder durchzusehen, auf dass es uns Hoffnung und Trost gebe. Mag sich in diesen Gedanken der Toten- und der Ewigkeitssonntag verbinden.
Das wünscht Ihnen
Pfarrer Peter Söder
Pfarrer in Aurachtal und Oberreichenbach
Pfarrer Peter Söder
Pfarrer in Aurachtal und Oberreichenbach