„Jetzt bekommen Sie noch unser Clubbändchen“, sagt die Mitarbeiterin scherzhaft und bindet mir einen Papierstreifen mit meinem Namen und meinem Geburtsdatum um den Arm. Nein, es handelt sich nicht um einen All-inclusive-Urlaub, sondern ich checke im Uniklinikum Erlangen ein und werde auf Station gefahren. Dies noch im alten Jahr, so dass ich den Jahreswechsel in der Uniklink verbringe. Ein großes Hämatom im Unterschenkel muss operiert werden. Nicht schlimm, aber schmerzhaft. Ich war noch nie für mehrere Tage im Krankenhaus. Eine neue Erfahrung. Wie vielen Leuten man da begegnet: Reinigungspersonal, Krankenpfleger:innen, Ärztinnen, anderen Kranken. Ein Krankenhaus ist ein System innerhalb des Systems. Es muss funktionieren. Wie funktioniere ich in diesem System gut? Ich habe mich auf das verlassen, was ich gelernt habe: Freundlichkeit. Ein Begriff, der auch in der Bibel vorkommt. In Kol. 3,12 heißt es: „Gott hat euch als seine Heiligen erwählt, denen er seine Liebe schenkt. Darum legt nun das neue Gewand an. Es besteht aus herzlichem Erbarmen, Güte, Demut, Freundlichkeit und Geduld.“ Ich habe es versucht: Ich habe mir Freundlichkeit angezogen in einer Welt, in der es auf meine Kleidung wenig ankommt. Ich habe die Freundlichkeit über mein weißes Krankenhaushemdchen mit den blau-grünen Kreisen gestreift. Es hat mir gut getan und denen um mich herum auch. Auch von den Mitarbeiter:innen der Klinik habe ich viel Freundlichkeit erlebt. Mit einigen hatte ich in den paar Tagen auch ein bisschen Spaß. Wir haben uns gut unterhalten. Das hat mir gut getan und der netten Krankenschwester, dem coolen Pfleger und anderen in der Klinik auch. Freundlich können freilich Menschen auch unabhängig von ihrem Glauben sein. Bei Christenmenschen ist es aber vorgegeben, dieses neue Gewand. Da gehört Freundlichkeit mit dazu. Schon längst bin ich wieder entlassen. Ich laufe inzwischen zwar noch langsam, aber doch wieder auf beiden Beinen herum. Ob in Jeans und T-Shirt oder im Anzug: Ich nehme mir fest vor, die Freundlichkeit darüber zu ziehen. Was im System Krankenhaus gut geholfen hat, kann auch in der restlichen Welt gut funktionieren. Probieren wir es einfach einmal aus.
Pfarrer Oliver Schürrle
stev. Dekan und evang. Kirchengemeinde Herzogenaurach