Es gibt nicht wenige deutsche Katholikinnen und Katholiken, die sich von Papst Franziskus mehr erhofft haben. Z. B. wenigstens die Einführung des Diakonats für Frauen, die Weihe von verheirateten Männern oder mehr Wohlwollen dem synodalen Weg in Deutschland gegenüber.
Bei all dieser nachvollziehbaren Ernüchterung sollte man aber den grundlegendsten Wandel, den Franziskus vollzogen hat, nicht übersehen. Dafür müssen wir etwas zurückschauen:
Das II. Vatikanische Konzil 1963-1966 hat das Verhältnis zwischen Kirche und Welt grundsätzlich geändert. Mit der Pastoralkonstitution stehen Welt und ihre verschiedenen Menschen und die Kirche auf Augenhöhe zueinander und lernen voneinander, versuchen, sich gegenseitig zu unterstützen, um die globalen Herausforderungen, die „Zeichen der Zeit“, wie z. B. Krieg und Frieden oder Klimawandel und Bewahrung der Schöpfung, zu meistern.
Das war damals eine Revolution. Denn davor verstand sich die Kirche anders: Die Kirche steht über der Welt, belehrt sie mit ihren Wahrheiten, muss sich vor der gefährlichen Welt schützen, bietet in ihrer Liturgie einen eigenen heiligen, sicheren Bereich.
Papst Franziskus hat dieses neue Verhältnis zwischen Kirche und Welt mit einem Bildwort treffend ausgedrückt: Die Kirche soll Feldlazarett sein. Und er lebt dieses neue Verhältnis, wenn er z. B. an Gründonnerstag im Gefängnis Häftlingen die Füße wäscht.
Eigentlich setzt Franziskus damit nur die Pastoralkonstitution konkret um. Was ist daran bemerkenswert? Wir müssen das so sehr betonen, weil die zwei prägenden Vorgängerpäpste Johannes Paul II und Benedikt XVI das Verhältnis von Welt und Kirche anders verstanden haben.
Josef Ratzinger, später Papst Benedikt XVI hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er von der Pastoralkonstitution nicht begeistert ist. Er verstand die Kirche eher mit dem biblischen Wort: Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Mit feierlicher Liturgie und mit gelehrter Belehrung sollte sich die Kirche über die Welt erheben. Auch wenn Johannes Paul II um die ganze Welt flog, wollte er eine Gegenkultur zur Welt verkündigen.
Franziskus dagegen hat die Stadt auf dem Berg verlassen und ist in das Getümmel der Welt hineingegangen. Die Kirche soll ein Feldlazarett sein. In seiner Enzyklika „Laudato si“ macht er ganz konkrete Vorschläge, um die Zerstörung der Schöpfung durch den ungehemmten Kapitalismus zu überwinden. Deswegen sind seine Predigten und Ratschläge konkreter, mehr an bestimmte Situationen gebunden. Er vollzieht endlich das neue Verhältnis zwischen Welt und Kirche, dass die Pastoralkonstitution vorgeschlagen hat. Und innerkirchlich zeigt sich das daran, dass bei der Weltsynode Laien, Frauen und nicht nur Bischöfe miteinander sprechen.
Dieser grundsätzliche Wandel, den Franziskus vollzogen hat, ist der notwendige Boden für alle anderen wichtigen Veränderungen. Der nächste Schritt wäre z. B., dass die berufenen Laien bei der Weltsynode nicht nur angehört werden, sondern auch mitentscheiden. Denn der Heilige Geist wirkt im ganzen Volk Gottes.
Dekan Michael Pflaum